Im Frühjahr 2017 bekam ich Marie Kondos Buch Magic Cleaning geschenkt - und ließ es erst einmal achtlos im Bücherregal schlummern, in der Annahme, dass ich kein Buch über Ordnung in meinem Leben brauche. Ich war ordentlich, hatte aber das Problem, dass ich unentwegt hinter meiner Familie aufräumte. Das Buch kam in einem Moment in mein Leben, in dem ich beschlossen hatte, aus meinem täglichen Hamsterrad ausbrechen zu wollen. Der Spagat zwischen Familie, Haushalt und Job forderte seinen Tribut. Ich war erschöpft und ständig krank. Wer Kinder hat, weiss, dass eine Mama es sich einfach nicht leisten kann krank zu sein, sonst bricht das Kartenhaus schnell in sich zusammen. Also musste etwas passieren.
Mit etwas Unwillen nahm ich das Buch dann doch zur Hand und begann zu lesen. Bereits nach wenigen Kapiteln wusste ich, dass ich einen Schlüssel in der Hand hielt und endlich einen Ansatz gefunden hatte, wie ich mich von allem Ballast befreien konnte. So legte ich also emsig los und räumte, ordnete und sortierte aus wie eine Besessene. Nach einer Woche war ich im wahrsten Sinne des Wortes fix und fertig. Langsam, aber sicher stellte sich nach der emotionalen Erschöpfung eine unglaubliche Energie ein, die mich auch heute - zweieinhalb Jahre später - begleitet. So entstand für mich die Idee, diese Erfahrung und Bereicherung an andere Menschen weitergeben zu wollen. Ich begann zu recherchieren, wie ich dies als Dienstleistung anbieten könnte. Zu meiner großen Verwunderung gab es damals noch niemanden in Deutschland, der sich auf KonMari spezialisiert hatte und entsprechend ausgebildet war.
2017 bot Marie Kondo das Seminar zum KonMari Consultant nur in Amerika an. Die zwei Seminare im Frühjahr in Chicago und Los Angeles hatte ich verpasst, im September und Oktober gab es aber je ein Seminar in New York und San Francisco. Voraussetzung:
- Du musst alle Bücher von Marie Kondo gelesen haben.
- Du musst dein Zuhause nach der KonMari Methode in allen fünf Kategorien aufgeräumt haben und dies anhand von Fotos dokumentieren können.
- Die Seminaranmeldung musste über Marie Kondos Homepage www.konmari.com ausgefüllt werden.
Die Entscheidung war schnell getroffen, ich buchte sofort das Seminar in New York (zu meinem Glück auch noch mit einem Frühbucherrabatt) und acht Wochen später bestieg ich mit einem etwas mulmigen Gefühl den Flieger nach NY. Einerseits mit einem schlechten Gewissen, ob ich unsere vierjährigen Zwillinge tatsächlich eine knappe Woche „alleine“ lassen konnte (es waren Papa, Oma und Opa zur Stelle...) und andererseits immer mit dem Gedanken, ob das nicht doch vielleicht eine Schnapsidee war. Aber tief in mir wusste ich, dass ich das Richtige tat. Nachdem ich mich einigermaßen akklimatisiert hatte, machte ich mich an einem wunderschönen sonnigen und warmen Donnerstagmorgen auf den Weg zur Event Location. Das dreitägige Programm war mit Vorträgen, Workshops und Gruppenarbeit gespickt und es gab nur wenige Pausen. Etwas Respekt hatte ich schon. Hoffentlich würde ich mit meinem Englisch, das zwar nicht schlecht ist, aber einfach etwas angestaubt war, mithalten können. Wie würden die anderen TeilnehmerInnen sein? Woher kamen sie? Sicher gab es niemanden aus Deutschland, der auch auf eine solch verrückte Idee gekommen war.
Vor der Location hatte sich eine lange Schlange junger Frauen gebildet, die munter drauflos schnatterten und unglaublich viel Energie ausstrahlten. Ich fasste mir ein Herz, reihte mich ein und schon wurde uns auch die Türe geöffnet. Extrem aufregt betraten wir einen riesigen Raum mit hohen Decken, wunderschönen großen Bogenfenstern, elegant weiß eingedeckten Tischen mit üppigen Blumenbouquets und zwei großen Buffets. Nun hatte ich in meiner Eventlaufbahn schon einiges erleben dürfen, doch war ich sehr beeindruckt von dieser Eleganz der Ausstattung. Vor allem aber auch von Marie Kondos nettem Team, das jeden von uns herzlich begrüßte und mit Namensschildern und den nötigen Unterlagen bestückte. Das Eis war sofort gebrochen, jeder sprach jeden an und wir alle waren begeistert, dass aus allen Teilen der Welt offenbar jemand dabei war. So traf ich auch meine - mittlerweile nicht nur Kolleginnen, sondern inzwischen auch Freundinnen - Patricia, Bea und Anika. Ich war also doch nicht die einzige KonMari Verrückte in Deutschland und logischerweise waren wir direkt miteinander verbunden.
110 Teilnehmer(innen) besuchten das Seminar, darunter auch zwei Männer aus Amerika, die sich heute sehr erfolgreich etabliert haben. Wir nahmen alle Platz an den großen runden Tischen, die für die folgenden Diskussionen und Breakouts perfekt geeignet waren. Uns allen gemein war die große Aufregung und die Spannung auf Marie Kondo. Wie würde sie wohl in Realität sein? Wir mussten nicht lange warten, wenige Minuten später begrüßte sie uns sehr herzlich. Eine kleine, zarte Person mit leiser Stimme und einer unglaublichen Präsenz. Es war mucksmäuschenstill, man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Jeder bestaunte sie und uns schien, als käme sie von einem anderen Stern. Wenn man überdenkt, dass sie tief im Shinto verwurzelt ist (einer japanischen Glaubensrichtung, der 80% der Japaner angehören) und ihre Aufräummethode fast etwas rituelles hat, ist dies auch nicht verwunderlich. In Japan glaubt man, alle Dinge besitzen eine Seele. Für uns ist dies alles sehr spirituell und so wirkte Marie Kondo auch.
Marie erläuterte uns, dass sie nicht alle drei Tage komplett dabei sein könne, dass aber ihre rechte Hand Nazomi (übersetzt Hoffnung) das Seminar leiten und sie immer wieder anwesend sein würde. Alles wurde vom Japanischen ins Englische gedolmetscht.
Nazomi war unglaublich. Ich habe selten einen so liebe- und kraftvollen Menschen erlebt wie sie. Mit unzähligen Beispielen aus ihrer Erfahrung als Certified Master (damals war sie noch die einzige mit diesem Status), vielen guten Workunits, zahlreichen Diskussionen und Präsentationen leitete sie uns durch das Programm. Ich bin ihr heute noch dankbar, wie viel persönliches sie mit uns teilte, wie sie uns motivierte, die Philosophie hinter dem Aufräumen näher brachte und die Bedürfnisse der Kunden, mit denen wir irgendwann arbeiten würden, in den Focus stellte. Es waren drei sehr, sehr intensive Tage, in denen ich viel gelernt habe, auch über mich selbst. Zu guter Letzt gab es die Fotosession mit Marie und sie signierte die zahlreichen Bücher, die wir mitgebracht hatten. Die Zeit mit so vielen unterschiedlichen Menschen aus allen möglichen Kulturen war etwas ganz besonders. Und auch das, was uns einte: Menschen helfen zu wollen, herauszufinden, wie sie ihr Leben leben möchten. Ich kann mich nicht erinnern, je auf einer Veranstaltung gewesen zu sein, in der die Atmosphäre mit so viel Energie, Kreativität, Optimismus und Dankbarkeit aufgeladen war. Rückblickend finde ich es sehr spannend, dass viele den Weg zur KonMari Consultant eingeschlagen haben, teilweise dort aber ihren Weg zu etwas völlig anderem fanden. Wenn man sich so intensiv mit sich selbst beschäftigen muss, kommt irgendwann auch die Erkenntnis, wohin der Lebensweg uns führen soll.
Aus dem spätsommerlichen New York ging es dann zurück in das nasskalte Köln. Extrem motiviert startete ich meine Akquise. Um nun endlich zertifizierte KonMari Consultant zu sein, musste man damals 50 Arbeitsstunden mit mindestens zwei Kunden in allen Kategorien nachweisen können. Ich brauchte nicht lange zu suchen und startete direkt mit meiner Mutter. Anfangs war sie noch sehr skeptisch, die Kleiderberge schienen sie erst einmal zu überfordern, aber sie kämpfte sich tapfer durch die Stapel. Mein diesbezüglich recht kritischer Vater beäugte unser Tun immer wieder. Anfangs war er der Meinung, dass er absolut nicht nach KonMari aufräumen wollte. Doch diese Meinung änderte er direkt, nachdem er festgestellt hatte, wie übersichtlich und strukturiert der Kleiderschrank meiner Mutter geworden war. Und so hatte ich Kunde Nummer 2 gewonnen. Es schlossen sich weitere Aufräumkategorien und Sessions mit Freunden an. Ein halbes Jahr später war ich soweit, dass ich alle erforderlichen 50 Stunden absolviert hatte, unendlich viele Berichte geschrieben hatte und mich endlich zum Abschlusstest anmelden konnte. Der hatte es dann aber in sich. Die vielen Fragen (damals noch mit Freitext) waren knifflig, ich erhielt Rückfragen, aber dann war ich endlich zertifiziert und durfte mich offiziell erste KonMari Consultant in Deutschland nennen. Wie es dann weiterging, erfahrt Ihr in einem meiner nächsten Blogs.
Herzlichst
Eure Jasmine